Steuerring-Inside

1 Verein – 1.000 Gesichter: die „Ost“-Beraterin

Rund 1.000 Berater arbeiten derzeit für den Steuerring – und jeder hat seine eigene Geschichte. Zum Beispiel Christina Auerbach, Beratungsstellenleiterin in Ilmenau. Sie gehört zu den Steuerring-Beratern der ersten Stunde in den neuen Bundesländern. Wie die Situation nach der Wiedervereinigung war und wie sie sich durch das neue Steuerrecht kämpfte, erzählt sie uns in einem Interview.

Wie sind Sie auf den Steuerring und eine Tätigkeit als Beratungsstellenleiterin gekommen?

Durch eine Zeitungsannonce im Jahr 1990: „Lohnbuchhalter für interessante Tätigkeit gesucht“, stand in der Anzeige. Ich habe mich beworben, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon voll im Berufsleben stand. Aber ich wusste ja auch nicht, wie sich meine berufliche Situation nach der Wiedervereinigung weiter entwickeln würde.

Erst auf einer Informationsveranstaltung, die vom Steuerring – damals noch LHRD – in Erfurt ausgerichtet wurde, erfuhren die vielen Anwesenden, um welche Tätigkeit es sich konkret handelt und was man dafür tun muss. Ich war sofort Feuer und Flamme und davon überzeugt, dass das für mich genau das Richtige ist.

Hatten Sie Vorkenntnisse im Steuerwesen oder haben Sie einen kompletten Neustart gewagt?

Beides! Durch mein Betriebswirtschaftsstudiums und meiner 20-jährigen Erfahrung als Abteilungsleiterin der Lohnbuchhaltung in einem großen Unternehmen, hatte ich schon Erfahrungen mit Steuern. Aber das bundesdeutsche Steuerrecht, das nach der Wiedervereinigung kam, war neu.

Wie unterschied sich das DDR- von dem bundesdeutschen Steuerrecht?

Das bundesdeutsche Steuerrecht war sehr komplex, das DDR-Steuerrecht für Lohn- und Gehaltsempfänger eher übersichtlich: In der Regel wurden laut Tabelle circa 20 Prozent Steuern bei Gehaltsempfängern erhoben. Bei Arbeitern wurde ein kleiner Teil des Einkommens auch nach Tabelle berechnet, aber der Großteil des Lohnes mit fünf Prozent versteuert. Damit war die Steuerschuld getilgt, eine Steuererklärung gab es für normale Beschäftigte nicht.

Ich habe mich recht schnell in die neue Materie eingearbeitet. Den notwendigen, mehrwöchigen Lehrgang besuchte ich ebenfalls im Jahr 1990. An der Schulung nahmen damals auch viele künftige Finanzbeamte teil.

Und anschließend starteten Sie gleich mit der Mitgliederberatung?

Nach erfolgreich abgelegter Prüfung, begann zwar offiziell meine Tätigkeit im Verein. Aber da zu dem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, wie und in welchem Umfang eine Steuerberatung in Anspruch genommen werden würde, war es eher ein langsamer Start. Es verging noch ein Jahr, bevor ich dann ab 1992 mit der Steuerberatung richtig beginnen konnte.

Aber das Angebot wurde angenommen?

Das Ganze war für uns alle – inklusive mir – neu. Deshalb habe ich mir auch viel Zeit genommen, um Mitglieder zu gewinnen. Bei Beratungsgesprächen habe ich viel erklärt. Unter anderem zur Steuerklassenwahl, zu deren Auswirkung auf Lohnersatzleistungen und wie letztlich die festzusetzende Steuer berechnet wird. Das war wichtig, denn da sich mit der Wiedervereinigung auch das Steuerrecht geändert hat, kamen dazu viele falsche Ratschläge aus den alten Bundesländern.

Hatten Sie damals schon eigene Büroräume?

Nein, die hatte ich nicht. Und da ich die Mitglieder nicht in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung empfangen konnte, habe ich sie bei sich zuhause aufgesucht. Der Vorteil daran: Die Mitglieder konnten direkt alle Unterlagen, die ich für die Steuererklärung benötigte, zusammensuchen und mir mitgeben.

Es war wirklich spannend, als die ersten Steuerbescheide eintrafen und man Theorie und Praxis endlich im Vergleich hatte.

Haben sich die Mitglieder bzw. hat sich die Arbeit im Verein seit der Wiedervereinigung verändert?

Meine Mitglieder kommen inzwischen aus vielen Bundesländern. Es freut mich, dass sie mir teilweise trotz Umzug treu geblieben sind. Viele Mitglieder sind von Anfang an dabei und mittlerweile teilweise schon im Rentenalter. Aber es sind in den letzten Jahren auch viele junge Mitglieder dazugekommen.

Heute habe ich natürlich einen Beratungsraum, besuche die Mitglieder auf Wunsch aber auch noch zuhause.

Und eine große Veränderung liegt noch gar nicht lange zurück: Viele Jahre habe ich die Steuerberatung neben meinem Hauptberuf ausgeübt. Seit 2015 bin ich nur noch für den Steuerring tätig.

Hand aufs Herz, wird es weitere 25 Jahre beim Steuerring geben?

Ich habe es noch nie bereut, dass ich mich für den Verein entschieden habe. Es macht mir Riesenspaß, mich für die Belange unserer Mitglieder einzusetzen. Ich arbeite gerne mit und für den Menschen. Deshalb hoffe ich, dass ich das noch ganz lange machen kann. Am liebsten noch mal 25 Jahre.

Was ist Ihr Ausgleich zur täglichen Arbeit?

Ich verreise mehrmals im Jahr, lese ein gutes Buch oder genieße einfach nur im Garten die Ruhe.

Was möchten Sie unbedingt einmal machen? Was ist Ihr Herzenswunsch?

Ich habe keinen besonderen Wunsch für die Zukunft, weil ich mir schon viele Wünsche erfüllen konnte. Ich hoffe nur, gesund zu bleiben, damit ich noch einige Jahre die Tätigkeit als Beraterin ausüben kann.