Bundesverfassungsgerichts-Urteil: Wie geht es weiter mit den Steuerzinsen?
Das Gesetz fordert eine Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen. Auf dem Kapitalmarkt erhält man dagegen heute kaum noch Zinsen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht erkannt und deshalb die bisherige Verzinsung mit jährlich sechs Prozent ab dem Jahr 2014 als verfassungswidrig eingestuft. Was bedeutet das für Steuerzahler?
Warum gibt es überhaupt Zinsen bei der Steuererklärung? Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer und entsteht mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres. Die Festsetzung der Einkommensteuer erfolgt durch das Finanzamt aber erst viel später, etwa, weil das Finanzamt auf die Abgabe einer Steuererklärung warten muss. Deshalb werden nach Ablauf einer 15-monatigen Karenzzeit Steuernachzahlungen und Steuererstattungen verzinst. Wer länger auf sein Geld warten muss, bekommt ein wenig mehr – wer später zahlen muss, muss dafür auch ein wenig mehr zahlen. Diese Zinsen werden per Bescheid vom Finanzamt festgesetzt und betragen für jeden vollen Monat 0,5 Prozent, also sechs Prozent pro Jahr.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden: Die derzeitige Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerzahlern dar. Zwar hatte die bestehende Regel mit sechs Prozent jährlichen Zinsen bei ihrer Einführung den damals geltenden Verhältnissen entsprochen. Doch durch die veränderten Bedingungen am Kapitalmarkt und das derzeit bestehende strukturelle Niedrigzinsniveau sind die damaligen Zinssätzen weit vom aktuellen Marktzins entfernt. Der Zinssatz erweist sich spätestens seit dem Jahr 2014 als realitätsfern. Das gilt übrigens auch für Erstattungszinsen zu Ihren Gunsten. Das Urteil kann also auch bedeuten, dass das Finanzamt Ihnen zu großzügige Zinsen ausgezahlt hat. Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen.
Und jetzt?
Müssen jetzt alle Zahlungen seit 2014 neu berechnet werden? Nein, das bisherige Recht darf noch für Verzinsungszeiträume bis zum Jahr 2018 angewendet werden. Da die Karlsruher Richter für 2014 bis 2018 keine rückwirkenden Änderungen fordern, verbleibt es für diesen Zeitraum bei den bisherigen Zinsfestsetzungen. Die Verpflichtung einer gesetzlichen Neuregelung betrifft Zinszeiträume ab dem Jahr 2019 – allerdings nur, wenn Ihr Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist.
Beispiel für die Berechnung von Steuerzinsen:
Der Steuerbescheid für 2014 ergeht am 18. Dezember 2020. Die Einkommensteuernachzahlung beträgt 2.300 Euro.
Die Berechnung der Zinsen beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet an dem Tag, an dem die Steuerfestsetzung wirksam ist (§ 233a Abs. 2 AO). Die Zinsen sind immer nur für volle Monate zu zahlen, angefangene Monate werden also nicht berücksichtigt (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
Der Zinszeitraum beträgt nach Ablauf der 15 Monate: 1. April 2016 bis 21. Dezember 2020 (Bekanntgabe erfolgt drei Tage nach Aufgabe zur Post) mit 56 vollen Monaten.
- 56 x 0,5 Prozent = 28 Prozent x 2.300 Euro = 644 Euro Zinsen
Verpflichtende Änderung betreffen nur den Zinszeitraum 1. Januar 2019 bis 21. Dezember 2020 mit 23 vollen Monaten. Wie genau sich diese Änderung gestaltet, muss der Gesetzgeber erst noch beschließen.
Tipp:
Derzeit enthalten alle Zinsbescheide einen Vorläufigkeitsvermerk. Es besteht trotzdem noch die Möglichkeit für Zinsen bei Zinszeiträumen ab 2019 eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen – dann müssen Sie vorläufig keine Zinsen zahlen. Klingt kompliziert? Ihr Steuerring-Berater unterstützt Sie gerne. Finden Sie jetzt eine Beratungsstelle ganz in Ihrer Nähe.